Tom Hardys "Taboo"
Die Geister, die ich rief

CONCORDE

In der Serie "Taboo", von und mit Tom Hardy, kehrt ein totgeglaubter Sohn zurück nach London und wird zum Albtraum der Britischen Ostindien-Kompanie. Wild, blutig, durchdringend - noch nie war Hardy so gut.

Wenn ich an historische Serien denke, die in England spielen, denke ich sofort an Serien wie "Downton Abbey", "Victoria", "North & South" oder Jane-Austen-Verfilmungen. Das Bild, das sie von London und der britischen Gesellschaft zeichnen, lässt sich mit einem Wort beschreiben: sauber. Zwar gibt es in jeder der genannten Beispiele einen Blick in die Unterschicht, die bis in den Tod schuftet. Aber vor allem die Bilder der Hauptdarsteller bleiben in Erinnerung. Saubere Kleider, grüne Wiesen, züchtiges Verhalten und keusche Blicke. Wer dieser Pastellwelt bereits überdrüssig geworden ist, wird sich umso mehr über "Taboo" freuen.

England von seiner dunkelsten Seite

"Taboo" ist all das, was man in Jane Austens Welt nicht sieht, das nicht einmal zwischen den Zeilen Platz findet. Es ist düster, verrucht und grausam. Das London, das sich in der Dramaserie zeigt, ist kein Ort, an dem man gerne reisen möchte und trotzdem schonungslos ehrlich. Hier wird nichts in hellen Farben festgehalten und mit Kitsch überzogen. Die Sitten sind hart, der Schmutz überall und den Gestank der Gassen scheint man selbst vor dem Bildschirm förmlich zu riechen. Es ist eine willkommene Abwechslung, aber nicht nur deswegen spannend und eine absolute Serien-Empfehlung. Denn Tom Hardys Darbietung in "Taboo" ist vielleicht seine bisher beste Performance in seiner Karriere.

Aber vielleicht sollten wir jetzt erst einmal zurück zum Anfang kehren. Worum geht es in "Taboo"? Im Fokus der Geschichte steht der totgeglaubte James Keziah Delaney, der nach zwölf Jahren in Afrika, im Jahr 1814 erstmals in seine Heimat London zurückkehrt, als er vom Tod seines Vaters erfährt. Schnell zeigt sich, dass Delaney ein ungebetener Gast ist. Die Britische Ostindien-Kompanie, angeführt von Stuart Strange (Jonathan Pryce, "Game of Thrones"), hat längst ein Auge auf das Unternehmen seines Vaters geworfen. Doch der denkt nicht daran, dass Erbe zu verkaufen, sondern will eigene Pläne verfolgen. Delaney träumt davon, eine eigene Handelsgesellschaft auf die Beine zu stellen. Dabei sollen ihm die vierzehn Diamanten helfen, die er aus Afrika mit nach London gebracht hat.

Eine verbotene Liebe

Die Ostindien-Kompanie ist in "Taboo" sicherlich der größte Gegner von James Delaney, doch bei weitem nicht sein einziger. Nicht einmal in der eigenen Familie findet der wortkarge Brite Unterstützung. Seine Halbschwester, die streng-katholische Zilpha (Oona Chaplin, "Game of Thrones"), schwankt zwischen Abscheu und Begehren. Gerüchte, dass die beiden eine inzestuöse Beziehung geführt haben, haben längst in London die Runde gemacht. Darüber weiß auch Zilphas Ehemann Thorne Geary (Jefferson Hall, "Vikings") Bescheid, der Delaney alleine deswegen tot sehen will. Weil sich das schwieriger herausstellt, als anfänglich vermutet, wird der Alkohol zu Thornes neuem Begleiter. Seinen Frust und seine Eifersucht lässt er an seiner Ehefrau aus, die (fast) alles schweigend, demütig und mit großen Augen über sich ergehen lässt. Höhepunkt der Grausamkeit in der Geary-Ehe ist ein Exorzismus, bei dem Zilpha der böse Geist ihres Bruders ausgetrieben werden soll.

Mit jeder weiteren Episode scheint die Liste der Gegner länger zu werden. Mehr als einmal spielt James Delaney mit dem Leben und scheint vom Tod selbst nur wenig beeindruckt. Was ihn weitaus mehr plagt, als die Lebenden, sind die Geister aus Afrika, die ihn verfolgen. Stück für Stück erfahren wir in "Taboo", dass Delaney nicht nur ein Schiffsunglück überlebt hat, sondern die transportierten Sklaven ihrem grausamen Tod überließ, als er sie im Inneren des Schiffs einsperrte. Ihre Geister sind es, die ihn heimsuchen und ruhelos machen. Immer wieder brabbelt er Verse in fremder Sprache, vollzieht Rituale und starrt beängstigend ins Leere.

Freund oder Feind?

Während Delaney mit den eigenen Dämonen kämpft, erklärt er der Kompanie den Krieg und wird dadurch zum Staatsfeind Nummer 1 für eine Reihe von mächtigen Männern des Landes. Das bringt nicht nur James' Leben in Gefahr, sondern auch das der Menschen, die ihm nahe stehen. Das muss vor allem die zweite Ehefrau seines Vaters, die schöne Schauspielerin Lorna Bow (Jessie Buckley, "Krieg und Frieden"), zu spüren bekommen, die plötzlich ebenfalls ins Visier der Company gerät. Letztendlich findet Delaney in ihr eine wichtige Verbündete. Ebenso in der deutschen Prostituierten Helga (Franka Potente), die mal für und mal gegen ihn zu spielen scheint.

Tom Hardy hat bereits in "Mad Max" gezeigt, dass es nicht vieler Worte benötigt, um eine gute Performance abzuliefern. Das zeigt sich auch erneut in "Taboo". Wirklich viel spricht er als Delaney nicht, trotzdem ist er wie eine wahre Naturgewalt in "Taboo". Es gibt Szenen, in denen man selbst als Zuschauer erschaudert, wenn sein durchdringender Blick die Kamera streift. Das ist definitiv ein Mann, dem man nachts - und auch tagsüber! - nicht alleine auf der Straße begegnen möchte. Hardy war noch nie so angsteinflößend, wie in "Taboo". Dabei durfte er bereits in "The Dark Knight Rises" den Bösewicht mimen und sich mit Batman anlegen. Doch selbst Schurke Bane würde James Delaney fürchten, der im schwarzen Mantel durch die Straßen zieht und nicht davor zurückschreckt, einem das Herz aus der Brust zu schneiden.

Holpriger Start, starkes Finale

"Taboo" ist sicherlich einer der spannendsten Neustarts des Jahres (Staffel 2 wurde bereits bestätigt!), ist aber nicht ganz makellos. Vor allem die ersten Episoden der insgesamt acht Folgen verlaufen etwas holprig. Obwohl viel passiert - fast schon zu viel - dauert es, bis man mit den Charakteren warm wird und in die Geschichte gesogen wird. Das ändert sich spätestens nach der Hälfte und macht die letzten Episoden umso spannender. Als James Delaneys Pläne offensichtlich alle scheitern und er als Gefangener in den Tower of London gebracht wird, beginnt ein wahres Schauerspiel. Man möchte fast durchgehend die Luft anhalten oder sich geschockt die Augen zuhalten, wenn die Company zum letzten Mittel greift, um Delaney zu brechen: Folter.

Was viele nicht wissen: Hardy hat mit "Taboo" nicht nur ein weiteres Mal seine schauspielerische Leistung bewiesen. Gemeinsam mit seinem Vater Chip Hardy und dem britischen Regisseur Steven Knight, lieferte er auch die Idee zur düsteren Geschichte rund um James Delaney. In der Liste der Produzenten findet sich unter anderem Altmeister Ridley Scott („Alien“, „Blade Runner“).

Das sagen die Kritiker

Insgesamt acht Episoden (je 55 Minuten) erwarten Drama-Fans in der 1. Staffel "Taboo", eine 2. Staffel soll bereits 2018 ausgestrahlt werden. Nicht nur wir können "Taboo" wärmstens empfehlen, auch in den Kritiken schnitt Tom Hardys Serie sehr gut ab. Auf der US-Plattform "IMDb" ergatterte die Serie ein Rating von 8,7 von 10 Punkten. Auf "Rotten Tomatoes" darf sich "Taboo" über eine Bewertung von 79% freuen. Wer einen Blick auf die Serie werfen möchte, kann dies unter anderem auf Amazon Video tun, wo "Taboo" Staffel 1 seit dem 31. März zur Verfügung steht. Seit dem 13. April gibt es die Serie außerdem als DVD und Blu-ray und wird in Deutschland von CONCORDE vertrieben.

Deutscher Trailer zu "Taboo"

Autor:

Julia Schmid

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