"Trapped - Gefangen in Island"
Das Böse hat viele Gesichter

© Studiocanal

Es ist ein bitteres Erwachen für die beschauliche Hafenstadt Seydisfjördur im neuen Skandinavien-Krimi "Trapped - Gefangen in Island". Eine Leiche ohne Kopf und Gliedmaßen stört den Frieden und sorgt dafür, dass der hiesige Polizei-Chef Andri die Büchse der Pandora öffnet. Jetzt können sich Crime-Fans die Serie ins eigene Wohnzimmer holen.

Die Nachbarn? Kennt man. Die engsten Freunde? Die natürlich auch. Man ist immerhin gemeinsam aufgewachsen und das raue Wetter in Seydisfjördur schweißt zusammen und lässt die Bewohner näher zusammenrücken. Wer könnte hier schon Geheimnisse besitzen - vor allem welche, die so dunkel sind, dass sie der Polizei atemlose Tage bereiten? Die Krimi-Serie "Trapped - Gefangen in Island" beschäftigt sich mit eben dieser dunklen Seite des kleinen Ortes, die selbst unter all den Schneemassen ihren Weg an die Oberfläche findet.

Ein Feuer im Herzen der Idylle

Noch bevor ein Leichenfund die drei Polizisten vor Ort beschäftigt, erschüttert ein Vorfall vor sieben Jahren die vermeintliche Idylle. "Trapped" beginnt mit der tragischen Geschichte eines jungen Paares, das sich in einem verlassenen Kühlhaus vergnügen möchte. Fernab der aufmerksamen Eltern und der nervigen Geschwister. Ein Feuer sorgt für ein jähes und tragisches Ende: Dagný (Rán Ísold Eysteinsdóttir) kommt in den Flammen ums Leben. Ihr Freund Hjörtur (Baltasar Breki Samper), der nur knapp überlebt, ist für alle der Schuldige. Er verliert an diesem Abend nicht nur seine große Liebe, sondern auch seine Freiheit: Hjörtur muss ins Gefängnis und in Seydisfjördur kehrt - Stück für Stück - der Frieden zurück. Doch die Geister der Vergangenheit sind noch nicht bereit, zu ruhen.

Erschütternder Leichenfund

Sieben Jahre später spricht kaum noch jemand von dem Feuer, das ein junges Mädchen das Leben gekostet hat. Denn jetzt sorgt ein anderer Fall für Kopfzerbrechen: Eine Fähre aus Dänemark bringt nicht nur Hjörtur zurück in seine Heimat, sondern schwemmt auch eine männliche Leiche ohne Kopf und Gliedmaßen in die Netze der Fischer. Ein grausiger Fund, der vielleicht in gefährlichen Großstädten an der Tagesordnung steht, aber doch nicht in einem isländischen Kaff! Die Bewohner sind erschüttert und fürchten um ihr Leben. Könnte vielleicht Hjörturs Rückkehr damit zusammenhängen? Die einzigen drei Polizisten, die in Seydisfjördur arbeiten, erkennen sofort, dass das eine Nummer zu groß für sie ist. Geschulte Ermittler aus Reykjavik sollen sich darum kümmern und den grausamen Fall lösen. Aber dann kommt alles anders.

Im Kampf mit der Natur

Ein Schneesturm isoliert den Fjord von der Außenwelt. Niemand kommt hinein, niemand kommt hinaus. Während den geschulten Profis aus der isländischen Hauptstadt die Hände gebunden sind, beginnt für die Bewohner von Seydisfjördur jetzt erst der wahre Albtraum. Sie müssen ausharren und können nichts tun, während der Mörder sich noch immer unter ihnen befindet. Eingeschlossen in einem Gefängnis aus Eis und Schnee, das es ihm oder ihr unmöglich macht, die Flucht zu ergreifen. Und es dauert nicht lange, bis Polizei-Chef Andri (Ólafur Darri Ólafsson, "True Detective") und seine Kollegen Hinrika (Ilmur Kristjánsdóttir) und Ásgeir (Ingvar Eggert Sigurðsson) an ihre Grenzen gebracht werden. Weitere mysteriöse Todesfälle erschüttern den Ort, niemand ist mehr sicher. Je tiefer Andri gräbt, um den Mörder ausfindig zu machen, umso mehr dunkle Geheimnisse deckt er auf - selbst in der eigenen Familie.

Rätselraten bis zum Finale

Wer der festen Überzeugung war, dass gute Krimis nur aus Schweden kommen, kann nach "Trapped" auch Island auf die Liste setzen. Besonders die fast schon beklemmende Naturgewalt, die hier zu einem eigenständigen Mitspieler - oder vielmehr Gegenspieler - der Geschichte wird, trägt viel zum Charme der aufwändigen Produktion bei. "Trapped" setzt nicht nur auf eine kleine Gruppe von Hauptcharakteren, sondern bezieht ein komplettes Dorf und dessen Intrigen mit ein. Jeder noch so kleine Nebencharakter ist wichtig und trägt zur facettenreichen und vielschichtigen Geschichte von "Trapped - Gefangen in Island" bei. Kaum denkt man, man könnte den Finger auf den Mörder legen, beginnt das Rätselraten erneut. Alle Bewohner machen sich zu Verdächtigen. Krimi-Fans dürfen hier bis zur letzten Episode miträtseln. Und soviel verraten wir schon jetzt: Die Auflösung wird Sie definitiv überraschen.

Menschen in Ausnahmesituationen

Regie führte dabei Baltasar Kormákur, der bereits 2015 im Kino-Film "Everest" gezeigt hat, dass Menschen in eisigen Ausnahmesituationen für fesselnde Unterhaltung sorgen können. Für "Trapped" hat sich Kormákur dafür den isländischen Schauspieler Ólafur Darri Ólafsson geangelt, der in den letzten Jahren unter anderem in "True Detective", "Ruhet in Frieden – A Walk Among the Tombstones" und "The Last Witch Hunter" mitgewirkt hat. Eine 2. Staffel der Erfolgsserie wurde bereits bestellt und soll 2018 ausgestrahlt werden. Ólafsson darf ein weiteres Mal den brummeligen Andri verkörpern.

Das Böse hat viele Gesichter

Einen kleinen Haken gibt es trotzdem: Die Vielschichtigkeit von "Trapped" ist nicht nur ein großer Plus-, sondern auch Minuspunkt der Serie. Der eigentliche Mordfall rutscht immer wieder in den Hintergrund und muss Platz für neue Fälle machen. Diese reichen von Menschenhandel über Erpressung bis hin zum Betrug. Das kann in manchen Situationen leicht verwirrend wirken, ebenso wie die Fülle von Charakteren. Ähnlich wie bei komplexen Serien wie "Game of Thrones", erhält der Zuschauer auch hier gleich zu Beginn eine breite Palette von wichtigen Figuren. "Trapped" konzentriert sich nicht nur auf Polizei-Chef Andri, sondern lässt auch Platz für die restlichen Familien in Seydisfjördur, die bis auf die kleinste Nebenrolle überzeugend besetzt sind. Davon fühlt man sich gleich zu Beginn, wenn man mit den zahlreichen Gesichtern noch nicht vertraut ist, ein kleines bisschen erschlagen.

Nicht aufgeben

Wer bisher nur wenig Erfahrung mit skandinavischen Filmen oder Serien gesammelt hat, könnte zu Beginn auch mit den isländischen Namen kämpfen. Davon sollte man sich jedoch nicht entmutigen lassen. Nach ein paar Episoden kann man den Gesichtern die richtigen Namen zuordnen. Soundtrack-Fans dürfen sich auf einen stimmungsvollen Score freuen, an dem unter anderem Jóhann Jóhannsson beteiligt war. Der isländische Komponist gewann 2015 für die Musik von "Die Entdeckung der Unendlichkeit" den Golden Globe und sorgte unter anderem mit Scores für "Prisoners" und "Sicario" für Gänsehaut.

Beklemmend schöne Kulisse

Crime-Fans werden mit "Trapped - Gefangen in Island" definitiv einige Abende gespannt vor dem Fernseher verbringen, auch wenn die Serie zur Halbzeit mit einigen Längen zu kämpfen hat. Das ist vor allem dem sprunghaften Wechseln zwischen neuen und weiteren Intrigen geschuldet. Abschalten ist trotzdem unmöglich - immerhin will man wissen, wer hinter dem Mord steckt und das hebt sich "Trapped" bis zum Finale auf. Alleine die schneebedeckte Kulisse lohnt sich, einen Blick auf die Serie zu werfen: Seydisfjördur als Handlungsort der Geschichte ist nicht nur die perfekte Wahl, sondern auch eine willkommene Abwechslung in der Krimi-Landschaft, die man sich als Genre-Fan nicht entgehen lassen sollte.

Autor:

Julia Schmid

Julia Schmid auf X (vormals Twitter)

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