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Tote Mädchen lügen doch?! REVIEW zu Staffel zwei von “13 Reasons Why”

Beth Dubber/Netflix

Kaum eine Serie war im letzten Jahr so emotional mitreißend wie “13 Reasons Why”. Nach etwas mehr als einem Jahr folgte nun die zweite Staffel und Brian Yorkey hat definitiv versucht, an Staffel eins anzuknüpfen. Leider ist ihm das nur in kleinen Teilen gelungen.

Obwohl ich die ersten vier, fünf Folgen der ersten Staffel “13 Reasons Why” unglaublich zäh und Clay als sehr anstrengend empfand, hielt ich trotzdem durch. Vor allem gegen Ende der Staffel wurde ich dafür belohnt. Das Drama um den Suizid der jungen Hannah Baker entwickelte sich deutlich besser als erwartet und ich wurde richtig in den Bann ihrer Geschichte gezogen. Die Idee mit den Kassetten und ihrer Stimme aus dem Off gefiel mir dabei schon von Anfang an gut und war eines der Highlights. Darüber hinaus konnte die Geschichte mit einigen Wendungen und der Porträtierung von Bryce (vom Macho-Baseballspieler zum soziopathischen Vergewaltiger) durchaus punkten. Doch nach dem Ende inklusive der drastischen Darstellung von Hannahs Suizid war die Geschichte zu Ende erzählt - eigentlich. Doch wegen der überwiegend positiven und vor allem auch überwältigend großen Resonanz entschied man sich dafür, eine zweite Staffel mit den gleichen Charakteren zu drehen. Da es noch ein paar offene Handlungsstränge gab und einem die Figuren doch etwas ans Herz gewachsen sind, freute ich mich auf Staffel zwei.

"13 Reasons Why": Die Voraussetzungen waren gut

Die Ideen, die “13 Reasons Why” mit in die neue Staffel bringen würde, gefielen mir im Vorfeld allesamt gut und hörten sich auch interessant an. Zum Beispiel die Idee, statt den Kassetten die beschrifteten Polaroids zu nehmen und anhand dieser die Geschichte rund um den Prozess zu erzählen. Auch dass dieses Mal nicht Hannah, sondern 13 unterschiedliche Personen die Geschichte erzählen würden, erschien mir nach der ersten Staffel nur konsequent. Jeder soll seine eigene Sicht der Dinge um Hannahs Geschichte erzählen dürfen und neue Details kommen ans Licht. Doch leider war die Umsetzung der gut-gedachten Prämissen in den meisten Fällen mehr als dürftig.

Die Umsetzung leider nicht

War man bei den ersten 13 Folgen noch gefesselt von Hannahs Geschichte und wollte immer die nächste neue Kassette hören, um zu wissen, um wen es noch auf den Bändern gehen würde, legte sich das in der zweiten Staffel komplett. Auch wenn im Intro jeder Folge die Nummer in einem Polaroid zu sehen ist, so tauchen doch nur drei Polaroids auf, bevor die ganze Box gefunden wird. Deshalb geht auch nicht jede Folge um ein Polaroid, sondern um eine Anhörung der Gerichtsverhandlung. Immer derjenige, der aussagen muss, darf seine Geschichte aus dem Off erzählen. Die Geschichten werden aber leider nur wenig stringent erzählt. Immer wieder kommt eine Hauptstory dazwischen und man fühlt mit den Personen nicht annähernd so mit wie noch mit Hannah in Staffel eins. Vieles wirkt gekünstelt und aufgebauscht, nur um den Zuschauer irgendwie bei Laune zu halten, obwohl das bei einer Länge mit einer Stunde pro Folge fast nicht zu machen ist.

Clay und Hannah

Zugegeben: Ich war schon in Staffel eins nie der größte Fan von Clay, jedoch ist er mir vor allem gegen Ende sympathischer und seine Handlungen verständlicher geworden. Staffel zwei zeichnet ein etwas dunkleres Bild von ihm. Immer noch mitgenommen von Hannahs Suizid hat er zwar mittlerweile eine neue Freundin, doch kann immer nur an Hannah denken. Die erscheint  ihm dann auch noch als Geist und begleitet Clay in den neuen Folgen. Die Idee an sich ist wieder nicht die schlechteste, die Umsetzung hingegen leider schon. Denn Geist Hannah funktioniert in der ganzen Serie so wirklich nur an zwei Stellen. Nämlich dann, wenn Clay erkennt, dass ihr Suizid den Hinterbliebenen gegenüber nicht fair war. Und wenn Hannah in einem dramatischen Moment die Geschehnisse ihrer Vergewaltigung noch einmal genau wie in der ersten Staffel erzählt. In der Zwischenzeit beschäftigt sich Clay auffällig wenig damit, dass er offenbar an Halluzinationen leidet und nimmt Hannahs Anwesenheit mehr oder weniger einfach so hin. Von Anfang an ist dem Zuschauer klar, dass sie in der letzten Folge von "Tote Mädchen lügen nicht" wieder verschwinden wird. Schon allein deshalb verliert diese Idee der Produzenten jegliche Dramatik.

Clay ist der falsche Hauptcharakter

Obwohl Dylan Minnette (Clay) genau wie Katherine Langford (Hannah) ein großartiger Schauspieler ist und die beiden würdige Hauptfiguren in Staffel eins waren, ist die fast unverschämt hohe Screentime der beiden in Staffel zwei einfach fehl am Platz. Denn Hannahs Geschichte ist bereits auserzählt und nur in den Rückblicken nochmal interessant. Denn als Geist ist sie auffallend emotionslos und Clay deshalb auch weniger stark als noch in den ersten Folgen. Dabei hätte “13 Reasons Why” das gar nicht nötig gehabt, denn es gibt genug spannende Geschichten zu erzählen. Wirklich stark dagegen ist zum Beispiel Jessicas Geschichte, wie sie mit den Nachwirkungen der Vergewaltigung nun umgeht. Zum Glück bekommt die Story auch genügend Raum, um sich zu entfalten und den Zuschauer mitzunehmen. Das ist leider nicht bei allen so.

Zu wenig Platz für die guten Geschichten

Leider fallen Clays Story viele andere zum Opfer. Zum Beispiel die von Tony, die den coolen, geheimnisvollen Mexikaner endlich etwas genauer beleuchtet und endlich die Gründe für seine Geheimnisse aufzeigt. Er ist mit einer der sympathischsten Personen, doch sieht man ihn gefühlt einige Folgen lang gar nicht. Genau das gleiche Problem hat Zach, der eine der wenigen großen Überraschungen in "Tote Mädchen lügen nicht" Staffel 2 liefern kann. Er hatte eine Beziehung mit Hannah, den Sommer über, die uns in Staffel eins komplett verschwiegen wurde. Das wirkt im ersten Moment zwar übertrieben, lässt sich aber sehr gut erklären. Auch wenn ich mit dem Ende ihrer Beziehung nicht ganz einverstanden bin. Ein weiterer starker Moment der zweiten Staffel war das Coming-Out von Courtney. Für sie war danach in den verbleibenden über zehn Stunden praktisch keine Zeit mehr. Nur ganz am Ende durfte sie kurz ihre neue Freundin präsentieren und wir uns alle für sie freuen.

Das Ende

Dem Schluss der zweiten Staffel von “13 Reasons Why” könnte man sicher einen ganzen Beitrag widmen. Er lässt mich hin- und hergerissen zurück. Der Fast-Amoklauf von Tyler bahnte sich die ganze Staffel an und verlief dann doch im Sande. Ob das der Serie gut getan hat oder nicht, muss jeder selbst entscheiden. Positiv ist immerhin, dass Clay aus seinen Fehlern in Staffel eins gelernt hat. Nun kann er endlich das Horrorszenario verhindern, was er bei Hannah nicht schaffte. Doch nach dreizehn langatmigen Stunden stellt sich natürlich die Frage, warum man sich unbedingt die Hintertür für eine mögliche dritte Staffel offen halten musste. Davon abgesehen war die letzte Episode durchaus gelungen, hatte einige schöne Momente wie zum Beispiel die Trauerfeier und das Plädoyer für alle sexuell missbrauchten Frauen, welches eine sehr ergreifende Umsetzung erfahren durfte.

Fazit

Alles in allem ist die Bemühung der Showrunner durchaus erkennbar, den Erfolg von Staffel eins mit fast den gleichen Themen nochmal zu wiederholen. Leider scheitert die Serie vor allem an der Umsetzung. Es werden die richtigen Themen angesprochen, aber kaum Lösungen geboten. Die Geschichte versucht verzweifelt jegliches Highschool-Klischee zu bedienen und versinkt dabei in den eigenen Vorsätzen. Zwar gibt es auch gute Seiten, wie die Geschichte von Jessica und Alex, der nach seinem Schuss in den Kopf wieder auf die Beine kommt, doch leider kamen diese entweder zu kurz oder gingen im ganzen Drama um Clay unter. Wenn man die Staffel auf acht oder zehn Folgen a 45 Minuten beschränkt hätte, um die wirklich wichtigen Geschichten zu erzählen, hätte man dem Zuschauer sicher einen Gefallen getan. So steht Staffel zwei von “13 Reasons Why” klar im Schatten der ersten und die Serie wird hoffentlich keine dritte mehr bekommen.

Dieser Artikel wurde von Johannes Kaiser verfasst.

Autor:

Serienfuchs Gastautor

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